Donnerstag, 25. April 2013

Von Städten und Menschen


S. Fischer
Als Fischer Taschenbuch ist gerade von Italo Calvino Die unsichtbaren Städte erschienen (Le città invisibili, 1972). Ich fragte eine Italienerin: Wie ist das Buch so? und sie antwortete: "Schwierig, schwierig".  

Beim ersten Hingucken erscheint es mir eher leicht. Da sind lauter kurze Kapitel, die jeweils eine Stadt beschreiben. Doch kam mir Swift in den Sinn, der ja auch so harmlos daher kommt, was bereits ahnen läßt, dass man nicht so schnell mit dem Buch durch ist. Calvino nun läßt nicht Gulliver sondern Marco Polo von den fremden Städten erzählen, und Kublai Khan hört ihm zu und stellt zwischen den Absätzen Fragen oder sinniert über das Erfahrene.

Giotto
Auf dem Titelbild ist eines der faszinierenden architektonischen Fresken der Renaissance zu sehen, von Giotto di Bondone aus der Kirche San Francesco in Assisi. Es trifft den Ton des Buches und illustriert ganz anschaulich, wie es sich mit diesen Calvino Texten verhält. Man glaubt, man sieht alles mit einem Blick, aber die Perspektive verschiebt sich und uns beim Lesen.

Die unsichtbaren Städte ist ursprünglich beim Hanser Verlag erschienen, der sich ja für italienische Literatur stark macht, und ist dort in gebundener Form weiter lieferbar. Der Übersetzer, Burghart Kroeber, wurde 2011 für seine Arbeit mit dem Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis 2011 ausgezeichnet. 

"Nur in den Berichten von Marco Polo vermochte Kublai Khan durch die zum Einsturz bestimmten Mauern und Türme hindurch das Filigran eines Musters zu erkennen, so fein, daß es dem Biß der Termiten entging."
PS.: Peter Fraser fand Calvinos Buch so anregend, dass er eine ganze Serie von Fotografien schuf. Sein Buch A City in the Mind ist bei Steidl erschienen.

Hanser
Mondadori
Edition Erdmann
Manesse

Steidl


Donnerstag, 11. April 2013

Patronatskind Eins

Das Buchpatron Programm in der Buchhandlung ist angelaufen, und Anonymus empfiehlt:

S. Fischer

Also dann bis morgen
William Maxwell
Ü: Benjamin Schwarz

Ein Junge im amerikanischen Mittleren Westen der alleine mit lauter schwierigen Verhältnissen klarkommen muß, sich mit einem anderen Einzelgänger befreundet, und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Die Sprache ist nüchtern, vortastend. Maxwell wurde 1908 in Illinois geboren. Bestimmt verarbeitet er eigene frühe Erfahrungen, und ich stelle immer wieder fest, wie wirklich gute Literatur entsteht, wenn Schriftsteller von dem erzählen, was ihnen als Kind und junger Mensch widerfahren ist.

Das Buch erschien 1980 bei Alfred A. Knopf Publ. und erhielt gleich mehrere Auszeichnungen. Die deutsche Ausgabe wurde1981 verlegt. Sie ist bei Zsolnay als gebundene Ausgabe von 1998 lieferbar.

Ich hab das Buch probe-angelesen, und mir gefällt's. Ich werde es mir aber in Englisch zulegen: So Long, See You Tomorrow. 
Bild: Alberto Giacometti. The Palace at 4 a.m. (1932) 

Freitag, 5. April 2013

"Das Paradies der Paradiese"


Insel
So heisst die erste Erzählung in dem Buch von Christoph Hein, Vor der Zeit. Ich hab mal probehalber hereingeschaut und wollte gleich das ganze Buch weiterlesen. Christoph Hein erzählt, die Geschichte wickelt sich auf, und sie verstrickt einen zugleich. Es geht um alte Geschichten und alte Mythen, aber schon mit "Das Paradies der Paradiese" sehe ich die Einschätzung vom Klappentext bestätigt: "dass die neuen Erzählungen von Christoph Hein ins Herz der Gegenwart zielen" Der Inselverlag präsentiert Christoph Heins "Korrekturen" - so der Untertitel - als feines, in Leinen gebundenes Buch von solchem Rot, wie es die griechischen Vasen haben. Es ist schön großzügig gesetzt auf chamoisfarbenen Papier.

Irgendwann gab es ein Interview vor der Kulisse des Pergamonmuseums. Da bin ich mir ziemlich sicher, dass es um Christoph Hein und sein neues Buch ging; aber ob es nun mit Denis Scheck oder mit Wolfgang Herles oder mit Dietmar Moor gewesen ist, weiss ich nicht zu sagen und konnte es auch nicht im Internet ausfindig machen*. Was ich aber sagen will, so haben wir hier in Berlin das Glück, solche Stätten eben aufzusuchen. Bei einem Besuch der Ausstellung zu Ausgrabungsschätzen von Ur hatte ich dies Erlebnis, wie nah uns die ferne Vergangenheit sein kann. Auch, als ich Joseph in Ägypten, von Thomas Mann, las war es mir, als seien all diese Ägypter Leute aus meiner Nachbarschaft. Christoph Hein zielt weiter, als dass er nur die Menschen der Vergangenheit lebendig werden läßt. Bei ihm geht es darüberhinaus um Modelle des Zusammenlebens, um Zielsetzungen und um Umsetzungen. Es geht um wache Teilhabe und um wachsendes Verständnis füreinander. Und nicht zuletzt ist Christoph Hein ein großer Erzähler.

* Korrektur, siehe Kommentar unten und: Falkner und Hein