Donnerstag, 25. Juli 2013

Von Diogenes und von Suhrkamp


Balzac
Lem
Merian
Nizon

Weil's so schön war, noch einmal

Von der Insel-Bücherei: Im letzten Jahr feierte die Insel-Bücherei ihr 100-jähriges Bestehen mit einer Reihe von extra gestalteten Neuauflagen, darunter die von Balzac mit den Zeichnungen von Picasso, Das unbekannte Meisterwerk. Aber auch die Erzählung von Stanisław Lem, Professor A. Donda, die in der Sammlung Sterntagebücher* im Suhrkamp Taschenbuch lieferbar ist, kam 2012 als Erstauflage in der Insel-Bücherei heraus, mit beeindruckenden Illustrationen von Benjamin Courtauld. 2011 war von Paul Nizon Goya erschienen, ein Buch, das mich gleich mit der ersten Seite zum Fan machte, und das hier schon mehrmals glückliche Käufer fand. Bekanntermaßen führe ich ja eigentlich jeden Titel nur einmal in meinem begrenzten Programm, aber Nizon hatte ich dazubestellt, obwohl noch eine Kopie vorhanden war, und die zweite Nummer war noch nicht eingetroffen, da war die erste schon wieder verkauft. Das letzte im aktuellen Reigen der Insel-Bändchen ist: Neues Blumenbuch, von Maria Sibylla Merian. Das ist in diesem Jahr erschienen und kommt ganz betörend daher im Großformat.

* Die Links unter den Titelabbbildungen verbinden Sie mit der Verlagsseite und den Veröffentlichungen der Autoren dort, die Titel im Text sind mit dem digitalen Laden der Schröerschen Buchhandlung verbunden.

Noch mehr Gutes: Das posthum von Christa Wolf erschiene Ein Tag im Jahr im neuen Jahrhundert war viel zu schnell verschwunden, und jetzt kam es wieder herein, schon in zweiter Auflage. Sowas ermutigt mich, wenn ich weiss, dass solche Bücher immer noch viel gelesen werden. Die Gedichte von Natan Zach, gesammelt unter dem Titel Verlorener Kontinent, verdienen weitere Verbreitung. Brasilien von Stefan Zweig ist auch wieder eingetroffen.

Wolf
Zweig
Zach

Szabó
Die Geschichte von der Magd -Aus der Suhrkamp Taschenbuch Reihe kam Hinter der Tür von Magda Szabó. Ganz abgesehen davon, dass in seiner Verfilmung Helen Mirren die Magd Emerenc spielt, reizt mich selbst, den Roman zu lesen ( - vielleicht, wenn ich mit Jugend und Vollendung von Heinrich Mann und mit A suitable Boy von Vikram Seth durch bin, die gerade noch auf den Jahresprogrammen Henri Quatre Colloquium (hqc) und Suitable Team bei dovegreyreader anliegen). Der Titel reiht sich dann ein mit anderen Romanen und Erzählungen über Mägde in der Literatur: Ein schlichtes Herz von Gustave Flaubert und Die Magd Zerline von Herman Broch. Gerade sahen wir zu Hause den großartigen Film von Robert Altmann: Gosford Park, zu dem es allerdings keine Romanvorlage gibt.

Das hatte noch gefehlt!

Brunhoff
Rey
Spyri

Kein Kinderkram: Es war an der Zeit, dass ich ganz wesentliche Lücken im Programm schließen musste; denn was ist eine Kindheit ohne der Geschichte vom kleinen Elefanten, namens Babar, ohne Heidi, von deren Lehr- und Wanderjahren wir durch Johanna Spyri viel aufregender lesen können als in Wilhelm Meister. Dann gehört auch Coco zur Grundausstattung kindlicher Heldengestalten. Dann ist da noch Sendaks Geschichte: In der Nachtküche - auf jeden Fall ein Buch, das eine Epochenwirkung ausübt. Und die geliebte Beatrice Potter! Diogenes hat gleich vier Geschichten großformatig in einen fein produzierten Band vereinigt: Die gesammelten Abenteuer von Pater Hase. Verblüfft sah ich, dass Potter nicht nur in Aquarell, sondern auch in Holzschnitt gearbeitet hat, und dachte doch, schon so gut Bescheid zu wissen.
Potter
Sendak

Und für die Großen: Ziemlich frisch, vom Mai, ist das abschließende kleine aber gewichtige Bändchen, XII, von Jürgen Habermas' Kleine politische Schriften: Im Sog der Technokratie. Privat las ich im letzten Jahr sein Buch "Zur Verfassung Europas", wobei mich seine kluge Analyse beeindruckte. "Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten" hat sich vielleicht Tom Hodgkinson gesagt und sich aufgemacht in die Schöne Alte Welt, die er meint, dort zu finden. Im Inseltaschenbuch erschien dieses Jahr "Ein praktischer Leitfaden für das Leben auf dem Lande", und wer jetzt im Sommer mit dem Radel hier in Berlin zur Stadtgrenze unterwegs ist, staunt immer wieder, wie Wald, Wiesen und Weiden just vor der Haustür locken.
Habermas
Hodgkinson


Freitag, 19. Juli 2013

item Zeitungsartikel


England - Connection
Merkur und die Eule
Im Mai wurden hier die ersten buchbezogenen Kuriositäten präsentiert, die von jenseits des Ärmelkanals hier in der Buchhandlung eintrafen. item Briefmarken mit der Queen, item Ashmolean Eule. Die Serie England-Connection wird fortgesetzt:

Warum ein Buch?
Financial Times
item ein Zeitungsausschnitt aus der Financial Times vom 8./9. Dezember 2012. Die vergangenen Monate haben sein Alt-Rosé noch tiefer getönt. In der Buchbesprechung zu Buch, Papier und Tinte liefert Autor Andrew Martin eine gute Antwort auf die Frage:
"The physical book seems like a fitting reward for the labour of writing a book. It is flattering that third parties – typesetters, printers, designers – are roped in on your behalf." 
Also etwa: "Das Buch als Ding erscheint als angemessener Lohn des Bücher-Schreibens. Es schmeichelt, dass Dritte - Setzer, Hersteller, Designer - unseretwegen im Prozess eingebunden sind."

Pan Macmillan
Das Tintenbuch möchte ich bei Gelegenheit ins Buchprogramm der Schröerschen aufnehmen, nachdem ich einen verlockenden Blogeintrag auf der Seite von  dovegreyreader dazu las: The Missing Ink - The Lost Art of Handwriting (and Why it Still Matters) ~ Philip Hensher

C. H. Beck
Der Artikel wurde mit einem Bild von Adolf von Menzel angereichert: Hand des Künstlers mit Buch. Angaben liefert das Bildarchiv Foto Marburg. Das Original befindet sich hier in Berlin im Kupferstichkabinett. Die Staatlichen Museen zu Berlin befinden sich praktisch seit Mauerfall in ständigem Wandel. Das Buch von Alexander Dückers zur Sammlung ist vergriffen, und ich habe keinen aktuellen Katalog oder Bildband zur Sammlung finden können. Immerhin gibt es in der ausgezeichneten Beck'schen Reihe Wissen im C. H. Beck Verlag von Werner Busch "Adolf Menzel Leben und Werk". Die Abbildung fehlt aber auch dort. Fündig wurde ich auf der Internetseite: the-athenaeum.org

the athenaeum.org


Samstag, 6. Juli 2013

O Löwe!


Suhrkamp
Patronatskind No 8

Sibylle Lewitscharoff
Blumenberg
Roman

Sibylle Lewitscharoff zollt hier einem Philosophen Tribut, dessen Werke auch vom Suhrkamp Verlag, um den viele in Zuneigung derzeit zittern, verlegt werden: Hans Blumenberg.

In unserer Vorleserunde lesen wir regelmäßig aus der longlist der für den Deutschen Buchpreis (Frankfurter Buchmesse) auserkorenen Romane deutschsprachiger Autoren, und Lewitscharoffs Blumenberg gehörte 2011 dazu, mehr noch, sie rutschte in die auserwählte Schar der sechs Besten, und schließlich errang sie den Preis. Wir waren sehr zufrieden mit der Wahl, hatte die Kostprobe uns doch allen gefallen.

Quelle: Europeana
Jetzt stehen Roman und Philosophische Texte von Beiden auf meiner gute-Vorhaben-Liste, aber vielmehr kann ich noch nicht zu allem sagen, außer, dass mir Lewitscharoffs kluger Humor gefiel, der auch schon in den wenigen Seiten Text durchkam, und dass wir alle Lust zum Weiterlesen hatten.

Außerdem teile ich mit Freunden die Sympathie für Hieronymus, der die erste Bibelkonkordanz verfasste - ein Hoch auf die Übersetzer! - in seiner berühmten Bücherstube und unter Schirmherrschaft des treuen Löwen, dem er laut Legende unerschrocken einen Stachel aus der Pfote gezogen hatte. Diese Seiten gefallen mir viel besser, als das wilde mit dem Stein an die Brust schlagen in der Wüste als Eremit. Hieronymus erwies der Menschheit bestimmt größere Dienste, indem er Geschriebenes verständlich machte und unters Volk brachte, und das hat er mit Blumenberg und Lewitscharoff gemeinsam.

Freitag, 5. Juli 2013

"So geht das"


Patronatskind No 7
Rowohlt

Dell
Kurt Vonnegut
Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug
Ü: Kurt Wagseil
Rowohlt
Taschenbuch 8,99 €

Kurt Vonnegut
Slaughterhouse 5 or The Children's Crusade
Dell / Random House
Paperback 6,85 €

New York Review of Books*
Als W. G. Sebald 2003 seine Ansichten über das Schweigen der Deutschen nach dem Bombenkrieg veröffentlicht hatte, entspannte sich eine Diskussion, wieviel Autoren sich mit den direkten Auswirkungen des Bombenkriegs befasst haben. In Deutschland war die Liste bestimmt deswegen kurz, weil ernstzunehmende Schriftsteller entweder vertrieben worden oder selber geflohen, tatsächlich verstummt oder schlimmstenfalls in der Verfolgung oder als Folge des Kriegs umgekommen waren. Wer doch gesprochen hat, dazu fielen mir spontan ein: Hans Erich Nossack, Heinrich Böll, Wolfgang Borchard, Margaret Boveri und Ernst Jünger. Der S. Fischer Verlag veröffentlichte seine Entgegnung:
S. Fischer
Suhrkamp
S. Fischer
Volker Hage
Zeugen der Zerstörung
Die Literaten und der Luftkrieg
Essays und Gespräche
S. Fischer 2003
Taschenbuch 9,95 €   
ISBN: 978-3-596-16035-8

Kurt Vonnegut, also
- er verarbeitet eigene Erlebnisse seines Überlebens als amerikanischer Soldat im Dresdner Feuersturm. Es sind im Internet viele kluge Kommentare zu seinem Buch zu finden, aber das Beste wird es wohl sein, das Buch einfach zu lesen. Es hilft ja nichts, auch in unserer Zeit müssen wir mit dem Gedanken umgehen, dass wir unser Leben leben, derweil Menschen irgendwo Bomben abwerfen.

* The New York Review of Books article by Charles Simic about Sebald's book can be read (and - with reservations - borrowed) in the Schröersche Buchhandlung, among a nice pile of back-copies.

Mittwoch, 3. Juli 2013

Liedschatz


Sonntagabend sah ich bei BRalpha eine Sendung, die mir gut gefallen hat: "Des Knaben Wunderhorn - Ein Meisterkurs [Heidelberg, 2006] mit Thomas Hampson in Heidelberg."
Artemis & Winkler
"Jens Malte Fischer und Karlheinz Rölleke, führende Wissenschaftler auf ihrem Gebiet, berichten über die Geschichte und Bedeutung der Lieder aus 'Des Knaben Wunderhorn' und wie der Geist dieser Sammlung auch heute noch in Heidelberg weiterlebt."
 - diese zusätzliche Information fand ich bei TV14.de. Einer von diesen Beiden zweifelte, dass die Text-Sammlung von Achim von Arnim und Clemens von Brentano überhaupt noch in unseren Bücherschränken zu Hause zu finden sei. Ich liebe alle Gustav Mahler Vertonungen, in seinen Liedern und in den Orchesterwerken, beispielsweise im Titan, und im vierten Satz der vierten Sinfonie, mit dem wunderbaren Lied "Wir genießen die himmlischen Freuden".

Rowohlt
Alte Ausgabe
aus privatem Bücherschrank
Vielleicht geht es Ihnen auch so: wie oft fallen mir Lied- oder Gedichtzeilen ein, die eine
gerade erlebte Situation illustrieren oder ihre Wirkung auffangen und umwandeln - oder vertiefen. Ich fühle dann auch immer eine tiefe Verbundenheit mit den Menschen, aus denen diese Volkslieder entsprangen oder die solche Empfindungen oder Erlebnisse kunstvoll in Lied- und Gedichtform brachten.

Bei der Lektüre von Henri Quatre fällt mir auf, wie bei den Hugenotten das Kirchenlied  angeführt wird als Ausdruck der Bedrängnis aber auch ihres Kampfwillens im Frankreich des 16. Jhdts. Ganz sicher bedeuteten Lieder auch für Heinrich Mann unter dem Schatten des totalitären Nationalsozialismus viel. Meine Eltern stärkten ihren inneren Widerstand mit den Liedern von Rudolf Alexander Schröder. Schröder, Jochen Klepper, aber auch die Dichter der Kirchenlieder zur Zeit des dreißigjährigen Kriegs, Friedrich von Spee und Paul Gerhardt, klingen mir aktuell seit "Der Westen" sich wieder entschlossen hat, mit Waffengewalt auf totbringende und menschenverachtende Weise die Weltgeschicke lenken zu wollen.
Suhrkamp
Verlag der Weltreligionen
Nun hat der Verlag der Weltreligionen im Suhrkamp Verlag Eine Anthologie veröffentlicht: Deutscher Kirchengesang in der Neuzeit. Es ist ein über 900 Seiuten dicker Band mit Dünndruckpapier, wovon knapp die Hälfte allerdings dem Kommentar von Gustav Adolf Krieg vorbehalten ist. Ich finde das großartig, weil darin solch ein Schatz verborgen liegt. Gerade heute, wo in den Medien die Vergangenheit oft aus unserer Sicht präsentiert wird, ist es eine fördernswerte Tat, wenn die Stimmen der Vergangenheit unverstellt und obendrein noch umfassend kommentiert zu uns dringen können. Mitunter tauchen Lieder auf, die sind kitschig oder garstig oder schockierend. Das ist unbequem, und es ist gut, wenn wir uns daran reiben und Schlüsse ziehen. Ich ziehe stets Trost aus der Entdeckung, dass zu allen Zeiten, in schlimmsten Zeiten der Verblendung und der Grausamkeit oder in denen von Kleingeist und Oberflächlichkeit, immer auch Stimmen laut werden, die von wahrhaft großem menschlichen und geistigen Format Zeugnis ablegen und die auf das Beste Nöte und Glück ihrer Zeitgenossen zum Ausdruck gebracht haben.