Montag, 4. August 2014

Dieser Blog zieht um / This Blog is moving


Hans-Joachim Zeidler; Der Büchernarr
aus Privatbeständen, Gabe von V***
Diesen Blog finden Sie jetzt bei /This blog you now can find at buchmerkur.wordpress.com


Montag, 21. Juli 2014

Hart Cranes Meisterwerk: Die Brücke


Jung und Jung
by David Levine, NYRB**

»Es ist der Geburtstag von Hart Crane (Bücher von diesem Autoren), geboren als Harold Hart Crane in Garrettsville, Ohio (1899). Seine Mutter war eine Chicagoer Debütantin [*] und sein Vater war ein sehr erfolgreicher Bonbon-Geschäftsmann der übrigens Lifesaver erfand, das beliebte ringförmige Minzbonbon.
In den Teenagerjahren von Crane wurde ihm bewusst, dass er homosexuell war; und Leben und Laufbahn von Oscar Wilde faszinierten ihn. Als die Ehe seiner Eltern scheiterte, brach Crane die Schule ab und fuhr im Zug von Cleveland nach New York, um ein Leben als Dichter zu beginnen. Er liebte sein Leben in New York, hing herum mit Dichtern wie E. E. Cummings und Allen Tate.
Quelle: Jung und Jung

Aber es fiel ihm schwer, dort sein Auskommen zu finden, er konnte keinen Job halten. Seine Trinkerei wurde schlimmer und 1932, mit 33 Jahren, nahm er sich sein Leben, indem er auf einem Dampfer auf den Weg von Mexiko nach New York über Bord sprang. Er hinterließ sein Meisterwerk, Die Brücke (1930).«
übersetzt nach Garrison Keillor, bei writersalmanac.publicradio.org
siehe auch: "Poetisches - Ein Streifzug durch neuere und ältere Dichtung (Dezember 2010)"
[* das musste ich nochmal nachschlagen, um sicher zu sein: das sind junge Damen, die sich zum ersten Mal der öffentlichen Gesellschaft präsentieren, wobei der Duden alle sozialhistorischen Bezüge fallen gelassen hat. Es geht aber darum, entweder via Heirat oder via Personalität eine Stellung in der Gesellschaft zu sichern.]
** Quelle: Reader's Catalog, 2nd Edition, 1989 im Privatbesitz, S. 692
Der Druck wird bei New York Review of Books zum Kauf angeboten.

 
Reading Along the NYRB
50 Years New York Review of Books 50 Jahre
NYRB 17 April 2008


When the Library of America published "Hart Crane: Complete Poems And Selected Letters" in 2006 it took Colm Tóibín some time, but in April 2008 his lengthy article "A Great American Visionary" appeared in the New York Review. Diligently and carefully he follows Crane on his short life with poetry, friends, struggles, work and finally a sad and much to early end. We learn about other writers which influenced him, about circumstances which throw him back, about thoughts and deeds. There are quite a bit of passages from his poems and letters to entice us for the whole.
Library of America

What impresses me is Crane's effort to built a great poem pretty early on. The Bridge, that is Brooklyn Bridge, should stand for the country and its people in past and presence. Crane avoids sliding into myth or pathos. He has a keen eye for the landscape and nature that remains interwoven with the city and its structures. Somehow by reading The Bridge, woodcuts of Frans Masareel come to my mind.

This April 2008 issue and others of the NYRB, from 1996 on, are in the bookshop to be read during opening hours. I would be pleased to find you interested. Chairs and tables are at your service. With necessary precautions the papers may be borrowed, too.

Dienstag, 15. Juli 2014

Der Buchblog nebenan I


Hotlistblog
Der Hotlistblog

Der Hotlistblog erwuchs aus dem Hotlistpreis, der alljährlich an Autoren und Werke aus unabhängigen Verlagen verliehen wird. Hier kümmern sich zwei emsige Korrespondenten,  mit Sitz in Wien und Berlin und liefern stetig frische Besprechungen aus dem deutschsprachigen Raum.  Ich ermuntere Sie hier, sich ein "Buchzeichen" dazu anzulegen. Oftmals sind die Verlagstexte abgedruckt, aber immer wieder gibt es die Stimme von Senta Wagner oder Meinolf Reul selbst, und das gefällt mir natürlich am besten.

Zwei jüngste Beispiele, die zur Diskussion anregen:

Kurt Wolff Stiftung

litprom
"... hier die drei weiteren Titel aus der Sommerausgabe der litprom-Bestenliste „Weltempfänger”, auch wenn die Bücher nicht aus Independent-Verlagen kommen (Hanser ist unabhängig, hat aber eine eigene Verlagsgruppe gebildet, zu der Hanser Berlin, Hanser Kinderbuch, Hanser Fachbuch, Nagel & Kimche, Deuticke, Zsolnay, Sanssouci, Fachbuchverlag Leipzig u. a. gehören, und liegt mit einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro um 45 Millionen Euro über der Grenze, die die Kurt Wolff Stiftung als Maximum für eine Mitgliedschaft festlegt, s. hier [*]).

Die Diskussion, was ein Independent-Verlag ist und eine genaue begriffliche Definition stehen noch aus. Vorerst genügt es vielleicht im Kopf zu behalten, dass die Bezeichnung in Anlehnung an unabhängige Plattenlabels, eben Indie-Labels, entstanden ist, in Abgrenzung zu den Major Labels.

Der Wikipedia-Artikel, wenngleich veraltet, erwähnt ganz richtig, dass Imprints keine unabhängigen Verlage sein können. Bei Verlagen wie METROLIT könnte man schon mal durcheinanderkommen. / mr"  [* weitere Links im Originalbeitrag]

*

Edition Meerauge

"Was könnte ein Meerauge bloß sein? Es hat bestimmt was mit Magie und Farbe zu tun, mit Legenden und Eiszeit. Tatsächlich wurden gleich zwei Meeraugen entdeckt: ein kleines Gewässer im Bodental in den Karawanken und ein Gletschersee in Polen in der Hohen Tatra. Ein weiterer staunenswerter Fund ist die Edition Meerauge aus Klagenfurt, die bibliophile Reihe für zeitgenössische Literatur im geschichtsträchtigen Verlag Johannes Heyn, gegründet 2010. “Bücher wie Meeraugen”, die gibt es dort, bestimmt so tiefgründig, selten und schillernd wie die obigen Naturwunder. Das Programm ist also überschaubar, bewegt sich im Prosabereich. Im Frühjahr erschien ein Titel, gleichzeitig bereits das vierte Meerauge der österreichischen Schriftstellerin Simone Schönett. Ihr Roman Der Private Abendtisch wird als “literarischer Glücksfall” bezeichnet, die Gestaltung ist hingebungsvoll. / sw"

*

Buch und Gespräch
Es gibt auf dem Hotlistblog eine Kommentartaste, aber bei mir sprach sie jedenfalls nicht an, und insgesamt scheint die Konversationskunst in unserem Land der einstmals großen Literarischen Salons zu darben, wenn man mal im Vergleich die Kommentare bei The Guardian liest (heute beispielsweise zum Tod von Nadine Gordimer).

Weswegen ich hier überhaupt den Gastbeitrag einschiebe ist, weil mich der fleissig zusammengestellte Beitrag "Schlaf etc." vom 12. Juli dazu angeregt hat.

"Im Hotlistblog geht es – was meinen Part betrifft – in Kürze weiter mit einer kleinen Serie zum Themenbereich Schlaf, Müdigkeit, Faulheit, Nichtarbeit, Muße.", wie mr am 7. Juli ankündigte, und das Thema liegt mir.

***

Jean-Luc Nancy, Vom Schlaf

Entgegen der Thematik haben hier drei Schriftsteller fleißig nachdeacht und auch mein Hirn beginnt geschäftig zu surren. Dieses "Fallen" bei Jean-Luc Nancy ... Da werden so viele Facetten angesprochen und Ausdruckstiefen. Es kann Resignation gepaart mit Protest darin liegen, oder ein Zusammensacken, oder eine Demonstration wie bei Reinhard Mai: "Wie ein Baum, den man fällt, eine Ähre im Feld - ich will im Stehen ster-her-ben". Viktor von Weizsäcker schrieb von der Arbeit, die das Schlafen eigentlich verrichtet. Es ist ein physischer Vorgang. Man liegt ja nicht einfach so herum. Na, ich hätte schon Lust, bei Nancy hineinzulesen ...

Byung-Chul Han, Müdigkeitsgesellschaft

Das ist diese Reihe bei Matthes  Seitz die dem modischen Trend erlegen ist - oder hat sie ihn vielleicht gesetzt? - Autorennamen und Titel in fetten Blockbuchstaben um die Ränder herum zu schreiben, so dass man erstmal eine Weile mit dem Entziffern zugange ist. Hm. Aber die Reihe selbst hat es in sich. "Food for thought" sagt der Engländer. Ich habe den Verlagstext zwei-, dreimal gelesen und bin etwas begriffs-stutzig geblieben und es weht ein Hauch der intellektuellen Siebziger, wie ihn damals die pinke Reihe von Rowohlt oder die stw-Reihe ausströmte. Man kann sich damit schmücken, oder man muss richtig ran und sich durchbeissen und daran arbeiten, bis man kapiert. Mir geht's jedenfalls so. Ist mit dem "Übermaß an Positivität" die Sattheit gemeint, der saturierte Bürger? Wie kommen Positivität und Depression in einen Hut? Ist es Überdruss?

Wie auch immer, so, wie ich angelegt bin, würde ich doch eher zum dritten besprochenen Buch greifen:

Paul Lafargue, Das Recht auf Faulheit

Ja! Unbedingt! Eins meiner Ansichten in diesen Zeiten ist, dass die Welt so voller Macher ist, die dermaßen viel kaputtmachen, dass es nur gut ist, wenn es Menschen gibt, die garnichts tun, einfach nur wesen, sozusagen. Und Lafargue betont dass mit Faulheit nicht Muße gemeint ist. Toady in Der Wind in den Weiden, mein ich, ist so ein Vertreter, der über genügend Mittel und Muße verfügt, um die verrücktesten Flausen auszuleben mit bekanntlich desaströsen Folgen, und das ist noch die unterhaltsame Variante. Oblomow dagegen, schenkt uns den wunderbaren Traum und einen dicken herrlichen Roman. Dieses Buch ist eine Genugtuung für mich selbst, die ich als Kind und Heranwachsende unter dem Vorwurf der Faulheit heranwuchs. Ich weiss also von der verborgenen Welt die sich in der Faulheit verschließt, und sie ist mannigfaltig. Es wäre also das Thema auch im Zusammenhang mit dem Heranwachsen zu betrachten und sozio-historisch auf Jugend in Deutschland. Hartmut von Hentig hat da beispielsweise Ansätze, die es zu diskutieren gäbe.

Jetzt frage ich mich, ob einer hier inzwischen eines der Bücher gelesen hat. Der Hotlistblog weckt jedenfalls Lust, und dafür sage ich Danke.

Freitag, 11. Juli 2014

intermezzo


Louisiana channel
Kerstin Ekman

Albert Bonniers Förlag
Roaming in old bookmarks I found this video and can't remember when I put it there.  The novel by Kerstin Ekman which brought her much praise and made her well-known — Blackwater — I had read in German translation in 1995 (Geschehnisse am Wasser) and had liked very much, even if it is pretty dark. When a year ago I visited my friend (who'd introduced me to her writing in the first place), I dipped into Ekman's capacious essay: Herrarna i skogen (2007, in German: Der Wald. Eine literarische Wanderung) which seems not to have been published in English so far. Ekman has an intelligent and elegant way of writing and is full of stories and knowledge. In 2011 her novel Grand final i skojarbranschen (German: Schwindlerinnen) was published. It is always worthwhile to wait for what she will come up with next.

Piper
(out of print/vergriffen)
Piper
Vintage

Freitag, 6. Juni 2014

A Couple More Pelicans, ...


... und Wissenswertes von Reclam

In the Pelican Books' tradition luminaries write in good prose for the common reader. You can test this on the Pelican page with the whole first chapter of Robin Dunbar's book and with the whole introduction of Melissa Lane's book.

Pelican
Pelican
Robin Dunbar
Human Evolution
Pelican Pb # 2
11,80 €

Melissa Lane
Greek and Roman Political Ideas
Pelican Pb # 5
11,80 €

Reclam verfolgt die gleiche noble Idee wie Pelican: für den allgemeinen Leser einen Schatz an Wissen aufzutun, ohne dass es im Portemonnaie zu sehr spürbar wird. Dabei publiziert Reclam seit Beginn Originalausgaben und kann nicht genug dafür gelobt werden. In diesem Jahr erschienen und vorrätig im Sortiment sind:
Reclam

Hans-Joachim König
Geschichte Brasiliens
RUB 19207
9,80 €

Reclam


Barbara Aland
Die Gnosis
RUB 19210
7,80 €

Reclam

Carsten Jahnke
Die Hanse
RUB 19206
7,80 €


Dienstag, 3. Juni 2014

Pelican Sightings


in stock
a distinct blue colour ...
... from the shelves at home

Pelican paperback logo
It is so exciting! Penguin has relaunched its Pelican edition. Since May the first five new paperbacks with non fiction by well known writers are on the market. Two of them have arrived in the bookshop, Revolutionary Russia and Economics, - more to follow. Come in and have a look at the books.

You can find an informative Guardian article covering this event, included is a neat YouTube clip which is fun to watch.

Here is all Pelican which has gathered over the years in our shelves, all well read, as one can see. What a great time to start discovering with Pelican!
a Pelican mosaic in order of publication date


Heribert Reul

By the way, this mosaic to the right was crafted by my father and is at the grave of my grand parents Schröer. The christian tradition holds the Penguin as an altruistic parent shedding its heart's blood to feed the young. I am always glad, that it roots in a misinterpretation. But the feeding and the caring part is true.

the Pelican beak clip

PS: Last sighting, my fountain pen, also a Pelican ...


Samstag, 31. Mai 2014

An Island Summer And A Nepal Pilgrimage


Patronatskinder No 16 und No 17

Lübbe
Patronatskind Mai
Zwei Bücher, und beide sind im Deutschen derzeit nicht lieferbar, aber Das Sommerbuch, übersetzt von Birgitta Kicherer, erscheint Mitte Juni bei Lübbe; und jetzt, wo traurigerweise Peter Matthiessen im vergangenen April starb, ist das vielleicht ein Ansporn, seine Bücher wieder neu aufzulegen, im Unionsverlag könnte ich mir beispielsweise vorstellen.

Tove Jansson
The Summer Book

New York Review of Books Classics, 2008
with drawings by the author
translated by Thomas Teal (Sommarboken, 1972)
introduction by Kathryn Davis
"It was an early, very warm morning in July, and it had rained during the night. The bare granite steamed, the moss and crevices were drenched with moisture, and all the colours everywhere had deepened. ... "
The bond between this island and its inhabitants, six-year-old Sophia, and her grandmother, leads to what Kathryn Davis describes in her introduction as an "unusual point of view, which hovers above and around the island and seems not so much to move from grandmother to granddaughter as to share them, inhabiting both sensibilities in the manner of weather". Indeed the book has something existentialist, nothing cute or sentimental, but a kind of grim humour and matter-of-fact attitude.

Das Original
mit der Titelillustration
von Tove Jansson
One day, in the chapter "The Neighbor", Grandmother and Sophia "took the dory out for a little row" to gather seaweed on the bank behind Squire Skerry:
"In the middle of the gravel was a large sign with black letters that said PRIVATE PROPERTY – NO TRESPASSING.
'We'll go ashore,' Grandmother said. She was very angry. Sophia looked frightened. 'There's a big difference,' her grandmother explained. 'No well-bred person goes ashore on someone else's island when there's no one home. But if they put up a sign, then you do it anyway, because it's a slap in the face.'"
... and thus begins a chapter that deals with socializing and acclimatisation, with the venture to live in close communion with nature and to respond appropriately to fellow human beings, at the same time a veritable adventure with thrills and funny breaks and with thoughtful observations.

This summer with Tove Jansson is full of such treasures. Enjoy.

Penguin
Peter Matthiessen
The Snow Leopard
Penguin Classic

"At sunrise the small expedition meets beneath a giant fig beyond Pohara - two white sahibs, four Sherpas, fourteen porters." - starting September 28, 1973 it will be a journey with his travel companion GS - that is, field biologist George Shaller - of more than two months in search for the snow leopard. The snow leopard with his
"pale frosty eyes and a coat of pale misty gray, with black rosettes that are clouded by the depth of the rich fur. An adult rarely weighs more than a hundred pounds or exceeds six feet in length, including the remarkable long tail, thick to the tip, used presumably for balance and for warmth, but it kills creatures three times its own size without much difficulty. It has enormous paws and a short faced heraldic head, like a leopard of myth; it is bold and agile in the hunt, and capable of terrific leaps; and although its usual prey is the blue sheep, it occasionally takes livestock, including young yak of several hundred pounds. This means that man might be fair game as well, although no attack on a human being has ever been reported."
But it is not just the elusive leopard Peter Mathiessen tries to find. He also hopes to find his way into the Buddhist view of the world. As Pico Iyer explains "The haunting beauty of the book" in his introduction:
 "The drama, the excitement of any classic record of an adventure comes from giving us the heart-pounding sense of traveling to some state, inner and outer, that few people have had the chance to see before; and yet what gives that a larger resonance here, and placed it inside an elegant frame, is the sense, too, in every moment, that excitements fade, that everything moves on, that even the epiphanies and discoveries that seemed so exhilarating yesterday will soon be forgotten as the world flows on. You can't hold on to anything."
Whoever holds this book and opens it and reads Matthiessen's beautiful prose is holding on to this journey of a far away time and place, to the sights and sounds and smells, to the sense of the snow leopard's realm. Peter Matthiessen died in April. This is also a rewarding way to keep alive the memory of this much-awarded writer.

Samstag, 12. April 2014

Ganz kurz, aber herzlich, empfohlen


Suhrkamp
Patronatskind No 15.

Svenja Leiber
Das letzte Land
" [...] lapidar, herb, poetisch. Unheitere Welt, sparsamer Lichteinfall. Die Geschichte endet 1975, im Geburtsjahr der Autorin." 
(Ein entzückter Leser)

"Leiber gehört zu jenen ernsten Autoren, die über Jahre keinen Mucks machen, und dann kommen sie eines Tages mit einem Buch um die Ecke, das sich gewaschen hat, rasend gut geschrieben.

Da setzt man sich dann gerade auf den Stuhl, reibt sich die Augen, schlägt noch mal prüfend auf, stakt mit dem Finger durch die Seiten, kommt zum Schluss: Tja, sehr, sehr gut, da gibt es nichts!"
(Vom alten hotlistblog)

Der Suhrkamp Verlag gehört nun zwar nicht zu den kleinen unabhängigen Verlagen, aus deren Programm auf dem Hotlistblog regelmäßig Fundstücke ins rechte Licht gerückt werden. Frühere Bücher von Leiber waren bei Schöffling & Co. erschienen und werden dort besprochen. Der Hotlistblog ist umgezogen und zu regelmäßigem Besuch sehr empfohlen.

Freitag, 11. April 2014

Einkehr über die Ostertage


Wieder ein schönes Buch im Rahmen des Programms: Buchpatron, das Patronatskind No 14

Reise in die Stille /A Time to Keep Silence

NYRB Classics / S. Fischer
Das Gesamtwerk von Patrick Leigh Fermor (1915 - 2011), dem großen Reisenden, wird seit 2004 im Deutschen (Übersetzer: Manfred und Gabriele Allié) liebevoll vom Dörlemann Verlag verlegt. Dieses schmale Bändchen ist dort aber noch nicht erschienen, und liegt hier als Fischer Taschenbuch vor in der Übersetzung von Dirk von Gunteren (Lizenz vom Hanser Verlag, 2000). Fermor berichtet darin von seinen Besuchen in den Klöstern St. Wandrille de Fontanelle, Solesmes, La Grande Trappe und in den Felsenklöstern von Kappadokien:
Dörlemann Verlag
"... haben mich die hier beschriebenen Orte stark beeindruckt. Ich weiß nicht, wie ich meine Gefühle benennen soll - sie reichen jedenfalls tiefer als bloße Neugier oder Interesse, und sie sind gewichtiger als die Freude, die ein Historiker oder Kunstliebhaber angesichts uralter Gebäude oder einer seit Jahrhunderten unveränderten Liturgie empfindet; ..."
So heisst es in der Einleitung.

The NYRB Classics edition A Time to Keep Silence has been published 2007 and its chapters are enriched with drawings by John Craxton, who died 2009. Karen Armstrong says in her introduction:
"Very few of us can be contemplative nuns or monks, but we can learn to appreciate their way of experiencing the sacred and integrate something of this gentle, silent discipline into our own lives." 
That is all very well, but what my impression of this book is and what makes me reach out for reading is, that Fermor precisely and quite descriptively reports of places, ways of life and people that open up new worlds, outwards and inwards. Here is a stretch of his way to the Rock Monasteries of Cappadocia:
Illustration by John Craxton
"The road wound into a stony cordillera then sank through a tormented ravine to the little derelict town of Urgüp. Half of it is hacked out of the mountainside and appears about to subside again into its native rock, taking with it the threadbare acacias of the marketplace and the circle of ancient and cloth-capped Turks bubbling in silence over their nargilehs - the last vestiges of humanity before the labyrinth swallowed us up."
There is much more like this in that slender book: tolle lege.

(PS. I had to look this up: a nargileh is a water pipe or hookah.)

Mittwoch, 26. März 2014

Grace Paley


Reading Along the NYRB 
50 Years New York Review of Books 50 Jahre 

Schöffling & Co
Grace Paley
Storys*/Stories

Im Verlag Schöffling & Co ist gerade im Februar die zweite Sammlung von Kurzgeschichten von Grace Paley erschienen. Der Verlag bietet Leseproben, und auch in Übersetzung kommt der spröde Humor gut über. New York ist noch Schauplatz in seinen wilden und ungekämmten Jahren. Es tauchen lauter - das muss jetzt ja kommen: - meschuggene Gestalten auf. Paley wird zu einem literarischen Zille von den Bronx.

Hier ein Leseproben-Zitat aus "Wünsche", in der Übersetzung von Sigrid Ruschmeier:
"Mein Exmann war mir zur Buchrückgabe gefolgt. Er unterbrach die Bibliothekarin, die noch mehr zu sagen hatte. Wenn ich so zurückschaue, sagte er, schreibe ich die Zerrüttung unserer Ehe in vielerlei Hinsicht der Tatsache zu, dass du die Bertrams nie zum Essen eingeladen hast. Gut möglich, sagte ich. Aber falls du dich erinnerst: Erst war an dem Freitag mein Vater krank, dann wurden die Kinder geboren, dann hatte ich dienstagabends immer die Versammlungen, dann fing der Krieg an. Dann kannten wir sie offenbar nicht mehr. Aber du hast recht. Ich hätte sie zum Essen einladen sollen." 
* [sic] Die Verlagsversion in Deutsch für Stories/Kurzgeschichten bereitet mir leichtes Kopfschütteln.
 
NYRB
Der Vergleich mit dem Original zeigt aber, dass es schon gut ist, wenn man Englisch lesen kann. Die Kurzgeschichte heisst da "Wants", was neben "Wünsche" auch "Entbehrungen" bedeutet.
"My ex-husband followed me to the Books Returned desk. He interrupted the librarian, who had more to tell. In many ways, he said, as I look back, I attribute the dissolution of our marriage to the fact that you never invited the Bertrams to dinner.

That’s possible, I said. But really, if you remember: first, my father was sick that Friday, then the children were born, then I had those Tuesday-night meetings, then the war began.Then we didn’t seem to know them any more. But you’re right. I should have had them to dinner."
Der Verlag Farrar, Straus & Giroux hatte 1994 "The Collected Stories" herausgegeben. In der Buchhandlung ist der Titel in seiner Taschenbuchausgabe vorrätig:

Virago
Grace Paley
The Collected Stories
Virago (1998), Reprint 2003
18,80 €

Ann Hulbert bespricht die Erstausgabe ausführlich in der NYRB vom 11. August 1994: New Wives' Tales. Diese und andere Ausgaben der New York Review of Books stehen während der Öffnungszeiten zum Studieren vor Ort zur Verfügung. Ich würde mich freuen, interessierte Leser zu begrüßen.

Ann Hulbert writes:
"Paley has always believed that she could speak from and about her small corner of the world and hope to be heard well beyond it. Thirty-five years ago "The Loudest Voice" made readers listen up. Paley's "remembering tongue" hasn't spoken very often since then, but its careful choice of occasions may turn out to be one reason it isn't soon forgotten."
For more about Grace Paley you also may visit the dovegreyreader blog and join the discussion.

Freitag, 7. März 2014

Willkommen, ihr Schweizer! Willkommen alle Leser!



Anlässlich des Auftritts Schweiz bei der diesjährigen Leipziger Buchmesse lädt die Schröersche Buchhandlung hoch oben vom Schöneberg alle Leser ein, zum Klettern in geistige und vergnügliche Höhen.

Transit

Auftritt Schweiz Fenster, März 2014 Schweizer Verlage

Schweizer Autoren
Detail: Ganz oben
siehe auch:
Schröersche Ereignisse
Schröerscher Merkur

Mittwoch, 26. Februar 2014

Schiefgegangen und gelungen


btb

Vom Absinken ins Spießertum und vom Aufsteigen zum Künstler

Patronatskinder
No 12 und No 13


RichardYates
Zeiten des Aufruhrs

Ach! wo Liebe sanft und wild zugleich!
John Keats
(Motto des Romans)

"Revolutionary Road" heisst der Roman im Original, der 1961 bei Little Brown, NY, erschienen war und hier in der Übersetzung von Hans Wolf nach einer Neuauflage von 2000 bei Vintage vorliegt. Revolutionary Road ist die Adresse des Paars, und der Roman beginnt mit Theater:
"Als die letzten Geräusche der Generalprobe verklungen waren, blieben die Laurel Players noch eine Weile stumm und hilflos stehen und schauten blinzelnd über das Rampenlicht in den leeren Zuschauerraum."
Was lässt unsere Träume verblassen und nimmt unseren Schwung? In "Zeiten des Aufruhrs" wirft der Autor einen eindringlichen Blick in das Leben vom hoffnungsvollen Paar April und Frank Wheeler. Der Leser wird in die fünfziger Jahre transportiert, in eine Stadt in Conneticut. In ungekünstelter Prosa und mit spürbarer Sympathie zu seinen Helden erzählt Richard Yates uns, wie so etwas geschehen kann, und es wird zur Literatur, die den Vorhang zur Bühne unserer eigenen Leben hebt.
Kunstmann

Quentin Blake und John Cassidy
Zeichnen für verkannte Künstler

Hier scheitert keiner, und Freude ist gewiss: her mit Stiften und Papier und los geht's!
Das Lob auf Quentin Blake habe ich schon im Zusammenhang mit den Büchern von Roald Dahl gesungen: "Meet Illustrator Quentin Blake". John Cassidy ist Gründer des erfolgreichen Kreativ-Buch Verlags Klutz, mit dessen Anleitung sich unsere Kinder schon leidenschaftlich dem Seilchenspringen, Perlenknüpfen, Fadenspiel und Knicker gewidtmet hatten. Dieser schöne Band zum ungehemmten lustvollen Zeichnen ist also, übersetzt von Ruth Keen, für deutschsprachige kleine und große Künstler zu haben.

Beide Bücher werden empfohlen vom Buchpatron. Je suis tout à fait d'accord!

PS: Siehe auch Quentin Blake, Zagazoo

Freitag, 14. Februar 2014

Übersetzt, übertragen, nach- und umgedichtet


Libelle, Lilienfeld, Diogenes oder: 
von Shijing und Edward Gorey

Im Januar ging hier in der Buchhandlung die Ausstellung mit chinesischer Tuschmalerei aus der Volkshochschulklasse von Wang Lan zu Ende, und sozusagen als Nachgesang verweise ich hier auf Fritz Mühlenweg und seiner Übertragung (veröffentlicht 1945 im Hans Dulk Verlag) wirklich sehr alter chinesischer Dichtung unter dem Titel "Tausendjähriger Bambus".

"[...] ein leis knisterner Titel, kurz nach dem Niederbruch eines Regimes, das sich zwölf Jahre lang als "Tausendjähriges Reich" aufgeführt hatte. [...]" - schreibt Ekkehard Faude in seinem ausführlichen, aufschlußreichen und anregenden Vorwort.

Hier ist ein Beispiel aus der Auswahl von 46 Gedichten; und weil es Valentinstag ist, habe ich dies gewählt:

Libelle
Im Häuserschatten

Im Häuserschatten habe ich dich angerührt, 
so zart, wie man nur nach Mimosen greift. 
Vergib! Hat meine Demut deinen Mund verführt, 
 weil er die blasse Wange wieder streift? 

Ich bitte dich so sehr: Entzieh mir nicht die Hand 
und wende deinen Blick vom Sonnenlicht 
ins Dunkel meiner Liebe, die am Straßenrand 
die müden Finger um die deinen flicht. 

Wie es sich schickt, ist der Libelle Verlag ein weiterer Verlag aus der Schweiz (siehe: Vorlesen am Montag, Dörlemann). Ergo feiere ich auch auf dem Buchprogramm-Blog die Schweiz als Gastland auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse.

"Tausendjähriger Bambus"
übersetzt von Fritz Mühlenweg
Libelle, 2002 (in 2. Auflage)
liebevoll und sorgfältig gestaltet,
im feinen Hochformat
13,90 €
*
Lilienfeld
Der Lilienfeld Verlag ist zwar aus Düsseldorf und nicht aus der Schweiz, aber er ist auch einer der unabhängig mit Herz und Geist verlegenden Häuser, die zu übersehen oder zu übergehen uns ein gewaltiges Stück ärmer ließe. Lilienfeld teilt mit dem Schweizer Verlag Diogenes das Verdienst, Edward Gorey dem deutschsprachigen Publikum schmackhaft zu machen. Irgendwie scheint der deutsche Leser aber auch mit dem skurrilen englisch anmutenden Humor des Amerikaners Gorey Schwierigkeiten zu haben. Das schlägt sich auch in der Nachdichtung von Alex Stern nieder, dem es aber immerhin gelang, die Turbulenzen und Eskapaden des fragwürdigen Gastes in Versform zu bringen. Wo Gorey munter in (ich nehme mal an, dass es sie sind) Hexametern dichtet: "At times it would tear out whole chapters from books / Or put roomfuls of pictures askew on their hooks", heisst es bei Alex Stern: "Manchmal sollte es komplette Kapitel aus Büchern fetzen / Oder die Gemäldehängung ganzer Räume ins Schiefe versetzen".

Edward Gorey
Ein fragwürdiger Gast
übersetzt von Alex Stern (A Doubtful Guest, 1957)
Lilienfeld, 1. Auflage 2013
Halbleinen
12,90 €

Der Schreckelhuck, ja der ist weit.
Da wäre noch Goreys "Wuggly Ump", zu Deutsch, damals bei Diogenes: "Der Schreckelhuck", und ich hoffe sehr - (wenn auch etwas schlottrig, wenn man bedenkt, wen man sich da herbeiwünscht) - also ich hoffe sehr, dass einer der beiden Verlage ihn wieder herbeiholt, weil da Dieter E. Zimmer nämlich wirklich genial (man sagt da wohl: kongenial) zu Werke gegangen ist.

hier Gorey:
Sing tirraloo, sing tirralay,
The Wuggly Ump lives far away.

It eats umbrellas, gunny sacks,
Brass doorknobs, mud, and carpet tacks.

und hier Zimmer:
Sing dilidut, sing dudlideit,
Der Schreckelhuck, ja der ist weit.

Er lebt von Schlamm und Teppichzwecken,
Von Schirmen, Knäufen, Jutesäcken.
So muss es sein!

PS.:Hier ist ein englischsprachiger Blog von einem Gorey-Fan für alle, die sich etwas kundig machen wollen über den verehrten Edward Gorey: Goreyana

Für alle, die sich in der Schröerschen "Kundig" machen wollen,
hier die Bücher von und mit Edward Gorey.
Weitere Titel, deutsch oder englisch, bestelle ich gerne.
Ein fragwürdiger Gast
Die Wasserblüte
The Haunted Looking Glass

Freitag, 10. Januar 2014

Dem Fremden begegnen

Hoffmann & Campe


Patronatskind No 11

Jamil Ahmad
Der Weg des Falken
Übersetzung: Giovanni und Ditte Bandini
(The Wandering Falcon, 2011)

Jetzt habe ich behutsam in die ersten Kapitel gelesen und bin froh, auf diesen Roman aufmerksam gemacht worden zu sein.

Vor einigen Jahren sah ich einen epischen Film über das Leben in Kriegszeiten zwischen Afghanistan und Pakistan. Daran musste ich denken. Gezeigt in ruhigen langsamen Schwenks wurde die dürftige Landschaft des Grenzgebiets, und allmählich gewöhnte sich das Auge an die eigenartige Schönheit des, zunächst als Mangel empfundenen, Panoramas. Auch hier im Buch hebt die Erzählung mit der Landschaft an: "In der Wirrnis von zerbröckelnden, schartigen, und verwitterten Hügeln, in denen sich die Grenzen des Irans, Pakistans und Afghanistans berühren, ..." karge Landschaft, monate-anhaltende Sandstürme und harsche Stammessitten prägen das Schicksal der Menschen, Soldaten auf einem Aussenposten, Angehörige der Siahpads, dann Belutschen - so wie wir sie im Laufe der Handlung kennenlernen.

Aber Jamil Ahmad legt nicht nur Zeugnis von diesem Leben ab, er ergreift auch Partei, und trifft mich fern im "zivilisierten" Westen, wie er die Verurteilung zum Tode an einer Handvoll Belutschen durch pakistanische Beamten in einem eigenen Absatz anprangert: Kein Journalist nennt das Unrecht, jeder schreibt lieber über die Lage "in Südafrika, in Indonesien, in Palästina und auf den Philippinen". Die Politiker, die reden "weiter über das Recht des Einzelnen, über Menschenwürde, die Ausbeutung der Armen...". Und schließlich holt Ahmad noch einmal aus zu einem Appell gegen die Todesstrafe: "Diese Männer sterben einen endgültigen und totalen Tod. Sie werden in keinem Lied fortleben; keine Denkmäler wird man für sie errichten [ ... ] Was mit ihnen starb, war ein Teil des Belutschenvolkes selbst. Ein wenig von der Spontaneität, mit der sie Zuneigung anboten, und etwas von ihrer Höflichkeit und ihrem Vertrauen. Auch dies wurde vor Gericht gestellt und aufgeurteilt und starb mit diesen sieben Männern."

Das erinnert mich an die Aufzeichnungen zum Leben von Dimitri Schostakovitch, bei denen an eine grausame Begebenheit des zunehmend paranoiden Stalin erinnert wurde: wie er alle umherziehenden Barden einlud zu einem großen Fest, um sie dann alle umbringen zu lassen. Mit diesen Menschen, die aus allen Teilen der Sowjetunion zusammengekommen waren wurde durch pure Willkür ein gewaltiges kulturelles Erbe ausgelöscht.

Der Junge Tor Baz wird am Leben gelassen, aber er ist auf ein Neues verwaist, und die Geschichte nimmt ihren Lauf - auf dem Weg des Falken.

Ich lese das Buch mit Staunen. Sprachlich erinnert es mich an die Schilderungen von Bunin. Ich stimme den Rezensenten Stefan Weidner von Deutschlandradio und Angela Schader von der NNZ besonders zu. (Ihre Zitate sind auf der Verlagsseite unter den Pressestimmen zu finden).