Mittwoch, 3. Juli 2013

Liedschatz


Sonntagabend sah ich bei BRalpha eine Sendung, die mir gut gefallen hat: "Des Knaben Wunderhorn - Ein Meisterkurs [Heidelberg, 2006] mit Thomas Hampson in Heidelberg."
Artemis & Winkler
"Jens Malte Fischer und Karlheinz Rölleke, führende Wissenschaftler auf ihrem Gebiet, berichten über die Geschichte und Bedeutung der Lieder aus 'Des Knaben Wunderhorn' und wie der Geist dieser Sammlung auch heute noch in Heidelberg weiterlebt."
 - diese zusätzliche Information fand ich bei TV14.de. Einer von diesen Beiden zweifelte, dass die Text-Sammlung von Achim von Arnim und Clemens von Brentano überhaupt noch in unseren Bücherschränken zu Hause zu finden sei. Ich liebe alle Gustav Mahler Vertonungen, in seinen Liedern und in den Orchesterwerken, beispielsweise im Titan, und im vierten Satz der vierten Sinfonie, mit dem wunderbaren Lied "Wir genießen die himmlischen Freuden".

Rowohlt
Alte Ausgabe
aus privatem Bücherschrank
Vielleicht geht es Ihnen auch so: wie oft fallen mir Lied- oder Gedichtzeilen ein, die eine
gerade erlebte Situation illustrieren oder ihre Wirkung auffangen und umwandeln - oder vertiefen. Ich fühle dann auch immer eine tiefe Verbundenheit mit den Menschen, aus denen diese Volkslieder entsprangen oder die solche Empfindungen oder Erlebnisse kunstvoll in Lied- und Gedichtform brachten.

Bei der Lektüre von Henri Quatre fällt mir auf, wie bei den Hugenotten das Kirchenlied  angeführt wird als Ausdruck der Bedrängnis aber auch ihres Kampfwillens im Frankreich des 16. Jhdts. Ganz sicher bedeuteten Lieder auch für Heinrich Mann unter dem Schatten des totalitären Nationalsozialismus viel. Meine Eltern stärkten ihren inneren Widerstand mit den Liedern von Rudolf Alexander Schröder. Schröder, Jochen Klepper, aber auch die Dichter der Kirchenlieder zur Zeit des dreißigjährigen Kriegs, Friedrich von Spee und Paul Gerhardt, klingen mir aktuell seit "Der Westen" sich wieder entschlossen hat, mit Waffengewalt auf totbringende und menschenverachtende Weise die Weltgeschicke lenken zu wollen.
Suhrkamp
Verlag der Weltreligionen
Nun hat der Verlag der Weltreligionen im Suhrkamp Verlag Eine Anthologie veröffentlicht: Deutscher Kirchengesang in der Neuzeit. Es ist ein über 900 Seiuten dicker Band mit Dünndruckpapier, wovon knapp die Hälfte allerdings dem Kommentar von Gustav Adolf Krieg vorbehalten ist. Ich finde das großartig, weil darin solch ein Schatz verborgen liegt. Gerade heute, wo in den Medien die Vergangenheit oft aus unserer Sicht präsentiert wird, ist es eine fördernswerte Tat, wenn die Stimmen der Vergangenheit unverstellt und obendrein noch umfassend kommentiert zu uns dringen können. Mitunter tauchen Lieder auf, die sind kitschig oder garstig oder schockierend. Das ist unbequem, und es ist gut, wenn wir uns daran reiben und Schlüsse ziehen. Ich ziehe stets Trost aus der Entdeckung, dass zu allen Zeiten, in schlimmsten Zeiten der Verblendung und der Grausamkeit oder in denen von Kleingeist und Oberflächlichkeit, immer auch Stimmen laut werden, die von wahrhaft großem menschlichen und geistigen Format Zeugnis ablegen und die auf das Beste Nöte und Glück ihrer Zeitgenossen zum Ausdruck gebracht haben.

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